Giordano Bruno

1548 – 1600           Italien

 

 

In Übersetzungen von

Ludwig Kuhlenbeck

 

 

 

So oft ich euch zurückstieß, - wie gebunden

Durch Pflicht doch naht Ihr wieder meinen Schmerzen,

Ihr ungeruf’nen Musen, meinem Herzen

Erquickung spendend in verlass’nen Stunden!

 

Der Dichter Keinem, die mit ihren Kränzen

Von Lorbeer- oder Myrtenzweigen glänzen,

Geruhet größ’re Gunst Ihr zu bekunden,

Als mir, der ich bei Euch mein Heil gefunden!

 

Ihr seid mir Berg und Quell und Waldesdüfte,

Wo Lebensfrische und Gesundheit winkt,

Wo meine Seele ew’ge Jugend trinkt,

 

Daß reger stets mein Geist die Schwingen lüfte,

Sich fern von Tod, Cypressen, Grabesdunkel

Erheb’ zum Leben, Ruhm und Sterngefunkel!

 

 

 

Wo hebt sich mein Parnaß? wo rieseln mir die Wellen

Kastal’scher Flut, der Pulse Glut zu kühlen?

Im eignen Herzen! Aus den Augen quellen

Die Thränen mir, mein Leid hinwegzuspülen.

 

Tief mir im Innern sind viel blum’ge Stellen,

Wo gern die Musen sich zum Tanz gesellen,

Viel klare Weiher, drin sie gern sich baden.

Ein Dichter bin ich, bin’s von Gottes Gnaden!

 

Nicht sonn’ ich mich in eines Fürsten Glanze,

Nicht buhl’ um Gunst ich vor des Kaisers Throne,

Noch geiz’ ich nach des hohen Priesters Lohne!

 

Mir krönt die Stirn mit schwerem Lorbeerkranze

Das eigne Herz, drin jedem Zwang entzogen

Gedanken und Gefühle mächtig wogen!

 

 

 

Es sammelt Hornsignal die Kriegerscharen,

Der Oberst läßt antreten bei der Fahne

Sein Regiment; weh jedem, der im Wahne,

Er werde nicht vermißt, nicht achtet der Fanfaren.

 

Wer feig und träg sein Leben sucht zu sparen,

Den packt der Tod mit ehrlos gift’gem Zahne:

So samm’le, Geist, zu höh’rem Ehrenplane

Der Seele Triebe, die vereinzelt fahren!

 

Ein Ideal sei Deines Strebens Ziel,

Ein Banner, dem Du Heerespflicht geschworen,

An Eine Schönheit gieb Dein Herz verloren!

 

Von Einem Pfeil nur laß Dein Herz durchbohren,

In Einem Feuer Flamme Dein Gefühl!

Ein einzig Paradies sei ihm erkoren!

 

 

 

Von Lieb’ gefesselt, vom Geschick betrogen,

Ermutigt durch den Blick aufs Ideal,

Und wiederum verstrickt in Todesqual

Der Eifersucht, - so kämpf’ ich in den Wogen.

 

Gen Himmel hebt der Götterbub’ den Bogen,

Winkt erst hinauf, - stürzt tückisch dann ins Thal;

So schwebt der Liebe Sinnen und Verlangen

In Weh und Wonn’, in Hoffen und in Bangen!

 

Wird jemals dieser wilde Aufruhr enden?

Dem Herzen süßer Frieden,

Ersehnte Ruh beschieden?

 

Ließ ich mein einzig Kleinod mir entwenden?

- Des Himmels Thor, kaum offen, dröhnt zusammen!

Und meiner Thränen Flut löscht nimmer meine Flammen!

 

 

 

Du, Lieb’, enthüllst den tiefsten Grund des Wahren

Der schauenden Vernunft, du sprengst das Eisenthor

Des Vorurteils, Du scheuchst des Irrtums Nebelflor

Und strahlst als Herrscherin im Aetherreich, dem klaren!

 

Was Himmel, Erd’ und Höll’ entfernen und verwahren,

Vergegenwärtigst du für Aug’ und Ohr:

So ziel’ denn, Amor, gut, mit spitzem Pfeil durchbohr’

Die Herzen, daß sie dir ihr Inn’res offenbaren!

 

Wohlan, gemeines Volk, schlag’ auf die blöden Augen!

Zur Wahrheit laßt sie schau’n, wenn sie dazu noch taugen!

- Geblendet blinzelt Ihr! Drum nennt Ihr Amor blind!

 

Nur weil Ihr kindisch seid, deucht Amor Euch ein Kind!

Und weil Ihr falsch und arg, Beständigkeit Euch Spott,

So schwört Ihr, treulos sei und falsch der Liebesgott!

 

 

 

Heb’ denn von hinnen dich, feindsel’ge Schicksalsmacht!

Eifersucht, fort auch mit deiner Gewalt!

Auch ohn’ euch Beide wird ja das Werk vollbracht

Von verlangender Liebe und hoher Gestalt!

 

Bannt mich die Liebe in dunkele Todesnacht,

- Schau ich doch jene, die ewiges Leben lacht!

Foltert und tötet mich Liebe,

- Schönheit weckt Leben und Triebe!

 

Und was denn ist auch die Liebe allein?

Das Szepter nur führt sie mit Dir im Verein!

Licht wirkt sie zugleich und Erblinden!

 

Eins seid ihr Beide, - Sonne und Schein!

Ein selig und schmerzlich Empfinden,

Müßt ihr das Herze mir binden!

 

 

 

Ich trage das herrliche Banner der Liebe,

Es kocht mein Verlangen, mein Hoffen erfror;

Starr bin ich und zitt’re, es flammen die Triebe,

- Mein stummer Schmerz schreit gen Himmel empor.

 

Glut in dem Herzen, und kühlende Fluten

Im Aug’, ersterbend in Lebenslust,

Erfrischende Wasser, verbrennende Gluten,

Thetis im Auge, Vulkan in der Brust!

 

Mich selbst muß, die Andere liebend, ich hassen,

In Fels wandelt sie sich, und ich mit wie Flaum.

Beständig verfolg’ ich sie; - nimmer zu fassen,

 

Fliegt sie empor in den Sternenraum,

Um mich wie Blei hier auf Erden zu lassen,

Hört nimmer mein Rufen, entschwebt wie ein Traum!

 

 

 

Bei allem Leid, womit ich heimgesucht

Von dir, die ich zur Herrin mir erkoren,

Der ich den Busen bot, ihn zu durchbohren

Mit ruhmbefiedertem Geschoß, - o Liebe, niemals hab’ ich dir geflucht!

 

Denk’, wer da will, ich habe mich verloren!

So oft mein Hoffen stirbt, stets wird doch neugeboren

Der stolze Wunsch, der nach lebend’gem Bilde

Göttlicher Schönheit strebt auf irdischem Gefilde.

 

Und sei es unerreichbar zu erlangen,

Und mag sie oft ins Ungewisse schweben,

- Die Seele weidet sich am hohen Streben!

 

Denn mir genügt’s, so ehrenvoll zu brennen;

Denn mir genügt’s, so hoch mich zu erheben,

Mich vom unedlen Volke so zu trennen!

 

 

 

 

Derselbe Gott, der Blitz und Donner zückt,

Hat einst Asteria als Aar umfangen,

Ward Gold, in Danae’s Schoß zu gelangen,

Hat Mnemosyn’ als Hirt, Alkmen’ als Fisch beglückt.

 

Als Schwan, als weißer Stier hat er entzückt

Leda und Kadmus’ Schwester, und in Schlangen-

Gestalt gestillt der Deois Verlangen:

Doch ich, - ich ward zum Göttersein entrückt!

 

Und meiner Liebe hoher Gegenstand

Zieht aus der Menschheit Tiefen mich nach oben!

- Ward nun ein Hirt Merkur, Neptun ein Fisch,

 

Ward Bacchus Wein auf der Geliebten Tisch,

Apollo eine Kräh’, - hat mich der Liebe Hand

Aus niedrem Sein zum Gott verwandelt und erhoben!

 

 

 

Es niste einsam sich mein Geist als Aar

Auf hochentlegnem Felsen! Stark Verlangen,

Viel Kunst und Fleiß ist nötig, zu gelangen

Auf jene Höhe, wo mein Flügelpaar

 

Hegt der Gedanken flügge Küchlein-Schar,

Die, mag auch Wolkenschatten sie umfangen,

Sich aufwärts heben werden, sonder Bangen

Zu höh’rem Ziel, zum Aether licht und klar.

 

Des Schicksals Flugbahn, die noch finster liegt,

Wird licht, und Du wirst einen Führer finden,

Den nur die Blinden nennen einen Blinden!

 

Dem Adler, der sich auf den Winden wiegt,

Muß jeder Gott im Weltall gnädig sein;

Er wende von mir sich, bin ich nicht sein!

 

 

 

 

Ihr Schwärmer! habt auf eure Herzen Acht!

Vernehmt, wie ich um meines ward betrogen,

Das mir von unbarmherz’ger Hand entzogen,

Zur Ferne schweift und meiner Sehnsucht lacht!

 

Mein Edelfalk, den ich zu schlecht bewacht,

Ward wild; denn seht! er ist davon geflogen,

Er kennt die Hand nicht mehr, die ihn  erzogen;

„Komm wieder!“ ruf’ umsonst ich Tag und Nacht.

 

Du schöner falk! Laß nimmer ab zu kreisen!

Ich hör’ Sirenensang und Zauberweisen,

Wenn Du mich stichst mit Deinen Strahlenblicken!

 

Kein Heilkraut still’ die Wunden, die dann bluten!

Die Kette schmelze nicht in diesen Gluten

Der Flammen, so die Seele mir erquicken!

 

 

 

Aus tief besorgter Seele Schoß hervor

Gen Höh’n und Tiefen stürmt das rege Korps

Meiner Gedanken durch den dichten Dorn,

Ein hohes Ziel nimmt jeder Schütz aufs Korn.

 

Vor wüt’gem Raubtier schütze Himmelsgnade

Die mut’gen Jäger mir auf steilem Pfade!

- Vergeßt die Heimkehr nicht, wenn Ihr’s ereilt

Mein Herz, das dort bei schöner Nymphe weilt!

 

Ruft es zurück! Gewappnet mit dem Erz,

Das Euch am Himmelsherd gestählt die Liebe,

Beherrscht des Schauens selbstvergess’ne Triebe,

 

Daß nicht Euch selbst entfremde dort mein Herz!

Zum mindesten kehrt heim mit neuen Grüßen

Von meiner Herzensräuberin, der süßen!

 

 

 

(At regna senserunt tria)

 

Aus beiden Augen muß ich Häufchen Erde

Dem Meere spenden reiche Thränenflut;

Der Atem meiner Brust bricht sich in Seufzern Bahn

Und er vertraut dem Luftreich meine Not.

 

Die Flammen, die auf meines Herzens Herde

Entfacht hat urverwandte Himmelsglut,

Sie lodern aufwärts, wiederum zu nah’n

Dem Feuer, das im Firmamente loht.

 

Dem Meer, der Luft, dem Feuer zollt Tribut

Mein Weinen, meine Seufzer, meine Glut:

Doch meine Göttin achtet nicht der Klagen,

 

Sie achtet nicht der Thränen, die ich spende,

Der Seufzer nicht, die ich gen Himmel sende,

Und nicht der Flammen, die gen Himmel schlagen.

 

 

 

(Hostis non Hostis)

 

Die Liebe will ich nimmermehr verklagen ;

Ein Glück, das ihrer bar, ist Schall und Rauch,

Und seufz’ ich oft in ihren Ketten auch,

Freiwillig will ich doch und stolz sie tragen.

 

Sei’s kalt, sei’s heiß, - mag’s trüb’, mag’s heiter tagen,

Stets wird mein Puls in gleichem Rhythmus schlagen

Für meinen Phönix, und kein Machtgebot

Des Schicksals löst ein Band, das lösbar nur dem Tod!

 

Für Geist, für Seele und Gemüt

Giebt’s keine Freiheit und kein Leben,

Das sie erbauen könnte und erheben

 

Dem Lenz gleich, der in tausend Düften blüht,

Wie diese Qual, dies Joch und dieses Sterben,

das eigne Wahl, Natur und Schicksal mir erwerben.

 

 

 

(Fata obstant.)

 

Des glücklichen Arabiens Wunderwesen,

Lebt Sonnenvogel Phönix, bis dem Einen

Der Leenskreis sich füllt, in neuer Pracht zu scheinen:

Er ist, der war: Ich bin, der nie gewesen!

 

In Strahlengluten stirbt mein eignes Wesen,

Doch Neugeburt erwirbt Apoll dem seinen,

Ich brenn’ an jedem Ort, er nur am Einen,

Von Amor ich zum Ziel, von Phöbus er erlesen.

 

Er kennt des langen Lebens Ziel und Thor,

Mein ungewisses Sein sieht sich vom Tod

Bald hier bald dort mit jähem Schnitt bedroht.

 

Was werd’ ich sein? was war ich wohl bevor

Ich mich zu eigen gab dem blinden Glück?

Der Phönix kehrt bewußt des Wiedersehns zurück!

 

 

 

Und was ist’s, das die Schwingen mir verlieh’n,

Mein Herz entflammt, der Ketten frei, verlachen

Mich Schicksal heißt und Tod, mir los zu machen

Des Kerkers Thor, aus dem so wen’ge fliehn?

 

Zeitalter, Jahre, Monde, Stunden ziehn

Vorüber mir; - Zeit, deine Waffen machen

Zu nichte Stahl und Eisen: deinem Rachen

Entronnen ist mein Geist zur Seligkeit gedieh’n!

 

Die Schwingen darf ich selbstbewußt entfalten,

nicht fürcht ich ein Gewölbe von Kristall,

Wenn ich des Aethers blauen Dunst zerteile

 

Und nun empor zu Sternenzeiten eile,

Tief unten lassend diesen Erdenball

Und all’ die nied’ren Triebe, die hier walten!

 

 

 

(Subito, clam.)

 

Der Adler dort, ein Pünktchen hoch im Blauen,

Späht frei vom Himmel nach der Beute aus,

der Taube Vorsicht nimmt ihn wahr mit Graus,

- Drei Flügelschläge! rasch sind Adlerklauen!

 

Der Löwe brüllt und schreckt zu Furcht und Grauen

Sein Jagdgebiet, verläßt er’s Felsenhaus,

Wie Donnergrollen hetzt vom fetten Schmaus

Sein Dräun die Büffel, die im Grase kauen.

 

Und gar des Meeres ungefüge Walen

Künden sich an durch mächt’ge Wasserstrahlen,

Vor denen Thetis’ stumme Fischbrut fleucht:

 

Der Aar, Der Leu und Walfisch also scheucht

Zuvor kein Opfer auf: - Allein die Liebe

Sie überfiel mich gleich dem nächt’gen Diebe.